Die Renditen langfristiger Anleihen sind in den letzten Wochen weltweit gestiegen. Dies erhöht die Kapitalkosten für Volkswirtschaften und Unternehmen. Hauptverantwortlich dafür ist das US-Ausgabengesetz. Kann es gebremst werden?
16. Juni 2025
In der sonst so ruhigen Welt des globalen Marktes für 30-jährige Staatsanleihen ist etwas in Bewegung geraten, was tiefgreifende Auswirkungen für Investoren hat. Ende Mai löste eine schwache Auktion für US-Staatsanleihen einen starken Ausverkauf nicht nur bei langlaufenden Anleihen, sondern auch bei Aktien in den USA und in anderen Ländern aus.
Warum interessieren sich Aktien für die Anleiherenditen? Weil die Renditen effektiv als Diskontierungssatz dienen, mit dem der Preis einer Reihe zukünftiger Ertragsströme - worauf Aktien im Wesentlichen einen Anspruch haben - bestimmt wird. Einfach ausgedrückt: Wenn die Anleiherenditen steigen, sollten die Aktienkurse unter sonst gleichen Bedingungen sinken und umgekehrt. Doch auch die Wirtschaft achtet auf die Anleiherenditen, da diese die Hypothekenzinsen und die Kosten für Unternehmenskredite beeinflussen.
Die Aussicht auf höhere Anleiherenditen ist also für die Marktteilnehmer von grosser Bedeutung. Die Schlüsselfragen lauten nun: Was hat den Ausverkauf langlaufender Anleihen ausgelöst, der zu den entsprechend höheren Renditen geführt hat, und was könnte diese Renditen in Zukunft wieder sinken lassen?
Die Ordnungshüter kehren zurück - die Renditen langfristiger Anleihen sind weltweit gestiegen:
Abbildung 1: Veränderung der Renditen 30-jähriger Staatsanleihen, Prozentpunkte
(Vom 31. Dezember 2024 bis zum 9. Juni 2025)

Der Hauptgrund für den jüngsten Anstieg der Renditen langlaufender Anleihen liegt in der Verschuldungssituation der US-Regierung. Präsident Trumps „Big, beautiful bill“ wurde am 22. Mai vom US-Repräsentantenhaus mit einer Stimme Mehrheit verabschiedet und muss nun am 4. Juli vom Senat gebilligt werden. Das Steuergesetz wird die Staatsverschuldung in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich um Billionen USD erhöhen und war wohl der Grund dafür, dass die USA kürzlich ihr AAA-Rating verloren haben. Noch bevor das neue Gesetz verabschiedet wurde, hatte die US-Regierung im letzten Jahr bereits rund zwei Billionen USD aufgenommen, was 6,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht. Das Congressional Budget Office prognostiziert nun, dass das Defizit bis zum Jahr 2050 7,3 Prozent des BIP erreichen wird. Zum Vergleich: Seit 1980 lag das durchschnittliche Haushaltsdefizit der USA in Prozent des BIP bei knapp unter vier Prozent. Tatsächlich war das Defizit ausserhalb einer Rezession noch nie so hoch wie heute, was ganz eigene Risiken mit sich bringt.
Die traditionelle keynesianische Nachfragesteuerung sah Staatsausgaben stets als etwas an, das vor allem in Zeiten der Rezession erhöht werden sollte, um den Konjunkturzyklus zu „glätten“. Da die US-Wirtschaft heute jedoch nahezu ausgelastet ist (siehe die niedrige Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent und die Inflationsrate, die mit 2,3 Prozent immer noch über dem Zielwert liegt), würden weitere Kreditaufnahmen und Konjunkturmassnahmen den potenziellen Inflationsdruck nur noch verstärken. Es versteht sich von selbst, dass die Kreditgeber des US-Finanzministeriums (d. h. die Anleihegläubiger) dies alles nicht hinnehmen wollen, weshalb sie höhere Renditen für ihre Anleihen verlangen.
Es wird nur noch schlimmer werden - das US-Haushaltsdefizit ist bereits gestiegen:
Abbildung 2: Haushaltsdefizit der USA (vom 31. Dezember 1979 bis zum 31. März 2025)

Es sei daran erinnert, dass die Anleiherenditen überall gestiegen sind, und das der US-Anleihemarkt zwar einen starken Einfluss ausübt, die Anleiherenditen anderer Länder jedoch aus eigenen Gründen gestiegen sind, auch wenn einige dieser Gründe mit den Erfahrungen in den USA übereinstimmen.
Die Lage hat sich unerwartet aufgeheizt. Der Verbraucherpreisindex (VPI) im Vereinigten Königreich stieg im April auf 3,5 Prozent (ein ganzer Prozentpunkt höher als im Vormonat), während Japan genau denselben Wert für seine Kerninflation verzeichnete. Für das Vereinigte Königreich birgt dies echte wirtschaftliche Risiken. Die Wirtschaft stagniert, und die Bank of England würde am liebsten die Zinsen senken, aber eine Inflationsrate von 3,5 Prozent kann nicht so einfach ignoriert werden. Die Renditen 30-jähriger Staatsanleihen sind auf über fünf Prozent gestiegen und damit nicht weit von ihrem Höchststand während der katastrophalen Truss-Regierung im Jahr 2022 entfernt.
Für Japan war eine höhere Inflation nach so vielen Jahren ohne nennenswerte Preissteigerungen immer etwas Erstrebenswertes, doch diese Zahlen werden für unangenehme Gespräche bei der Bank von Japan sorgen, deren „Preisstabilitätsziel“ bei zwei Prozent liegt. Die politischen Entscheidungsträger werden darauf bedacht sein, eine Wiederholung der schlecht aufgenommenen Zinserhöhung vom letzten Sommer zu vermeiden, und Gouverneur Ueda hat erklärt, dass er nur „bei Bedarf“ politische Anpassungen vornehmen wird. Und genau wie im Vereinigten Königreich (und übrigens auch in den USA) ist die Haushaltslage problematisch. Premierminister Ishiba erklärte kürzlich vor dem Parlament, dass sie schlimmer sei als die Griechenlands.
Für Deutschland ist der Anstieg der Renditen wohl eher harmlos. Nach der Ankündigung von Bundeskanzler Merz, deutlich mehr in die marode Infrastruktur und die unverhältnismässig kleine Armee Deutschlands zu investieren, können höhere Renditen vielleicht eher als Zeichen eines hohen künftigen BIP-Wachstums interpretiert werden und nicht als Risikoprämie (wie in den USA und im Vereinigten Königreich) oder Inflation (wie im Vereinigten Königreich und in Japan). Dies unterscheidet in gewisser Weise die „gute“ von „schlechter“ Kreditaufnahme, ist aber insgesamt nur ein schwacher Trost, da höhere Kapitalkosten mathematisch gesehen niedrigere Preise für Vermögenswerte bedeuten - darunter natürlich auch Aktien. Es ist daher wenig verwunderlich, dass die globalen Aktienmärkte so negativ auf den Anstieg der langfristigen Renditen reagierten und sich erst wieder erholten, als die Renditen ab Ende Mai wieder zurückgingen.
Was könnte eine dauerhaftere Lösung bieten?
An diesem Punkt ist es wichtig zu überlegen, was die Situation dauerhaft entschärfen könnte.
Aus technischer Sicht könnte eine Verlangsamung der Emission langfristiger Staatsanleihen Abhilfe schaffen. Dies geschieht derzeit in den USA und wird möglicherweise in Japan in Betracht gezogen. Das grundlegende Problem der zu hohen Verschuldung der wichtigsten Volkswirtschaften der Welt (mit Ausnahme Deutschlands) wird dadurch jedoch nicht gelöst. Dies schreckt Kreditgeber von langlaufenden Anleihen ab und treibt die Renditen in die Höhe. Und genau hier liegt die potenzielle Lösung, denn höhere Renditen könnten sich als selbstlösend erweisen. Die Kapitalkosten spielen für die Trump-Administration tatsächlich eine wichtige Rolle, wie der Äusserung des Präsidenten auf Truth Social Anfang Juni zeigte, in der er forderte: „Powell muss jetzt die Zinsen senken. Er ist unglaublich!“ Auch die Republikaner sind sich der Bedeutung der Sensibilität des Anleihemarktes gegenüber der Verschuldung bewusst, wie ihre Rechtfertigungsversuche zeigen, dass das höhere Wirtschaftswachstum aufgrund des Ausgabenpakets zu höheren Einnahmen führen werde. Keine dieser Bemühungen scheint überzeugend zu sein. Wenn die Anleiherenditen angesichts der Frist des Senats für die Verabschiedung des Gesetzes am 4. Juli erneut steigen, könnte dies dazu führen, dass das Gesetz schnell abgeschwächt oder neu verhandelt wird.
Eine Theorie, die derzeit die Runde macht, lautet „Trump Always Chickens Out“ (TACO, Trump kneift immer), was sich bereits teilweise bei den Zollverhandlungen gezeigt hat. Im Falle des Ausgabengesetzes würden sich die Anleihegläubiger nicht einmal die Mühe machen, wie Amerikas Handelspartner zu verhandeln - wenn ihnen etwas nicht passt, werden sie einfach US-Papiere abstossen (und damit die Renditen in die Höhe treiben), bis sich etwas ändert. Dies ist wahrscheinlich die beste Aussicht auf eine dauerhafte Lösung für das Problem des Ausgabenplans, obwohl es natürlich keine Garantie dafür gibt, dass die Regierung nachgeben wird. Für Anleger, deren Nerven durch den „LiberationDay“ noch immer angespannt sind, bedeutet dies einen schwierigen Start in die normalerweise ruhigere Sommersaison. Eine zuverlässige Diversifizierung des Portfolios könnte weiterhin erforderlich sein.
Julian Howard ist Chief Multi-Asset Investment Strategist bei GAM Investments. Dieser Artikel gibt die Ansichten des Multi-Asset-Teams von GAM wieder.