Die Erholung des US-Aktienmarktes seit dem „Liberation Day“ scheint abgeschlossen zu sein. Aber sind die Investoren wirklich aus dem Gröbsten heraus, wie es die Märkte vermuten lassen? Vielleicht liegt die eigentliche Lehre in der emotionalen Reaktion auf die gesamte Episode.
16. Mai 2025
Es ist nun schon über einen Monat her, seit die berüchtigten Zollankündigungen am „Liberation Day“ veröffentlicht wurden, einem Tag, den die handelsfreundliche Zeitung „The Economist“ als „Ruination Day“ bezeichnete. Viele Analysten und Kommentatoren prognostizierten - vielleicht nicht ganz zu Unrecht - einen Einbruch des globalen Wirtschaftswachstums, und der Internationale Währungsfonds (IWF) erklärte in seinem jüngstem Weltwirtschaftsausblick mit einer gewissen Untertreibung, dass „das globale Wachstum voraussichtlich zurückgehen und die Abwärtsrisiken sich verstärken werden, wenn sich grössere politische Veränderungen vollziehen.“ Unglaublicherweise hatten der S&P 500 und der technologielastige Nasdaq 100 Index bis zum 13. Mai ihre Verluste vollständig wettgemacht und lagen wieder deutlich im positiven Bereich, nachdem sie vom „Liberation Day“ am 2. April bis zu ihrem Tiefpunkt am 8. April atemberaubende zwölf Prozent bzw. 13 Prozent1 verloren hatten. War also alles nur ein böser Traum?
Blinzeln Sie nicht, sonst werden Sie etwas verpassen - US-Aktien haben sich seit dem „Liberation Day“ mehr als erholt:
Wertentwicklung vom 31. Dezember 2024 bis zum 12. Mai 2025

Die Ergebnisse der Vergangenheit sind kein Indikator für zukünftige Ergebnisse und aktuelle oder zukünftige Trends.
Pragmatismus - und „Deals“ - als Rettung?
Was den Welthandel betrifft, scheint es seitens des Weissen Hauses wieder mehr Bereitschaft zu „Deals“ zu geben. Das Finanzchaos nach dem „Liberation Day“, das einen Ausverkauf an den Anleihemärkten aufgrund der eingepreisten Inflation (die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen kletterte auf fast 4,5 Prozent1), sowie einen Einbruch des USD mit sich brachte, veranlasste US-Finanzminister Scott Bessent, Präsident Trump am 9. April davon zu überzeugen, fast allen Handelspartnern der USA eine 90-tägige Atempause zu gewähren. Nach den Gesprächen in Genf wurde nun auch China mit einem Gegenzoll von zehn Prozent in Höhe des britischen Zolls in die Liste aufgenommen, nachdem die USA zuvor bereits ein Abkommen mit Grossbritannien geschlossen hatten. Die US-Wirtschaft scheint ebenfalls nicht übermässig zu leiden. Trotz des Wachstumsrückgangs von 0,3 Prozent1 im ersten Quartal des Jahres scheinen die Wirtschaftsdaten die düsteren Umfrageergebnisse noch nicht zu bestätigen. Darüber hinaus besteht die Hoffnung, dass die US-Zinsen gesenkt werden, so wie dies kürzlich von der Bank of England und der Europäischen Zentralbank pragmatisch getan wurde. Die US-Zins-Futures deuten auf Zinssenkungen um insgesamt 50 Basispunkte1 bis zum Jahresende hin, was theoretisch dazu beitragen dürfte, die Wirtschaft vor einer Konjunkturabkühlung zu bewahren.
Die Auswirkungen des „Liberation Day“ auf die Unternehmen, insbesondere auf den Technologiesektor, der den S&P 500 dominiert, zeigen offenbar, dass es ein Leben nach den Zöllen geben kann. Dank der Widerstandsfähigkeit und Flexibilität der amerikanischen Technologieunternehmen wird bis Ende 2026 weiterhin ein Gewinnwachstum von zwölf Prozent1 erwartet. Während beispielsweise Apple und Amazon am stärksten von den Zöllen betroffen sind, verlagert Apple bereits seine Produktion aus China, sodass die meisten Geräte für den US-Weiterverkauf bald aus Indien und Vietnam kommen werden. Amazon tätigt Terminkäufe, um die Auswirkungen der Zölle abzufedern, während der CEO des Unternehmens darauf hinweist, dass nicht alle Drittanbieter ihre Preise erhöhen werden. Meta und Google haben beide bislang solide Umsätze im zweiten Quartal gemeldet, während die Muttergesellschaft von Meta, Alphabet, ihre Investitionsprognose sogar angehoben hat und nun 75 Mrd. USD2 für Anwendungen wie Künstliche Intelligenz, Rechenzentren und Cloud-Infrastruktur ausgeben will. Auch die Umsatzprognosen von Microsoft blieben stark, da die IT-Ausgaben des Unternehmenssektors von den Zöllen weitgehend unbeeinflusst bleiben.
Die Weltwirtschaft ist noch nicht über den Berg
Doch dieser Trost könnte sich als falsch erweisen. Die aggressiven Vergeltungszölle der US-Regierung gegenüber anderen Handelspartnern wurden lediglich aufgeschoben, nicht aufgehoben. Ausserdem ist es unwahrscheinlich, dass die Zölle, egal, welche Vereinbarungen getroffen werden, wieder auf das Niveau vor dem „Liberation Day“ zurückgehen werden. Zwar hat sich Finanzminister Bessent in letzter Zeit versöhnlicher gezeigt, doch befürwortet er nach wie vor Zölle als Mittel, um anderen Ländern, insbesondere dem Erzrivalen China, „Vorteile“ zu entlocken. Seine Ambitionen in dieser Hinsicht sind auch der Grund dafür, dass Zölle wahrscheinlich noch einige Zeit Teil der Wirtschafts- und Marktlandschaft bleiben werden. Er strebt nichts Geringeres an als eine tiefgreifende Reform der chinesischen Wirtschaft, die sich von einer Export- zu einer Konsummaschine entwickeln soll, etwas, das die chinesischen Behörden seit mehreren Jahren mit gemischtem Erfolg versuchen. Die Herausforderung besteht darin, dass jedes Mal, wenn sich die chinesische Wirtschaft abkühlt, Exporte eine einfache Möglichkeit sind, um die Flaute auszugleichen, wie dies auch nach der enttäuschenden Wiedereröffnung Chinas in der Post-Pandemie-Ära der Fall war. Der Druck der USA, hier Abhilfe zu schaffen, dürfte weiterhin auf wenig Gegenliebe stossen. Im Anschluss an die Genfer Handelsgespräche betonten chinesische Regierungsvertreter, dass die Verhandlungen auf der Grundlage von „Fairness und gegenseitigem Verständnis“ fortgeführt werden müssten - eine verschlüsselte Form der Ablehnung der anhaltenden Interventionen der USA.
Was die US-Wirtschaft selbst betrifft, so gibt es Anzeichen für eine Abschwächung des Handels. Chinas Exportaufträge sind rückläufig, während Schiffe auf dem Weg in die USA umkehren, was sich möglicherweise auf die Inflation auswirkt. Die amerikanischen Unternehmen reduzieren ihre Investitionen und planen Entlassungen, da die Verbraucher zunehmend besorgt über Inflation und Arbeitslosigkeit sind. Vor diesem Hintergrund werden die erwarteten Zinssenkungen nur bedingt helfen. Sie können weder die unterbrochenen Lieferketten (vgl. 2021) noch die höhere Inflation (vgl. 2022) beheben. Nur eine vollständige Umkehrung des „Liberation Day“ kann die US-Wirtschaft vollständig retten und das Risiko von Marktstörungen beseitigen. Angesichts des hohen Engagements der Regierung scheint dies jedoch unwahrscheinlich, selbst wenn sie einige Zugeständnisse und Verzögerungen als grosse Erfolge verpackt. Dies spüren auch Teile des Marktes, selbst wenn die Aktienmärkte dies nicht tun. Der US-Dollar-Index liegt zum 13. Mai immer noch fast acht Prozent1 unter seinem Höchststand von Mitte Januar, während Gold weiterhin bei über 3.200 USD/oz1 gehandelt wird.
Nicht so sicher - der US-Dollar und das Gold versuchen, uns etwas zu sagen:
Wertentwicklung vom 31. Dezember 2024 bis zum 13. Mai 2025

Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für die zukünftige Wertentwicklung und aktuelle oder zukünftige Trends.
Die eigentliche Lehre für Investoren bleibt sicherlich die völlige Unvorhersehbarkeit der Märkte auf kurze Sicht und die Schwierigkeiten, die mit dem Versuch verbunden sind, sie zu „spielen“. Ein kurzer Überblick über die Flut von Analysen, die nach dem Tag des „Liberation Day“ verfasst wurden, offenbarte einen tiefen Pessimismus unter vielen Analysten. Selbst wenn man berücksichtigt, dass sich schlechte Nachrichten gut verkaufen lassen, erscheinen Schlagzeilen wie die von „Forbes“ Mitte April: „Wall Street's tariff-driven slump could turn into a full bear market“ verfrüht und überholt zugleich. All dies unterstreicht auch die Bedeutung einer gut beratenen Multi-Asset-Allokation, die Volatilität antizipieren und abfedern kann, ohne von den langfristigen Zielen abzuweichen. Bei richtiger Umsetzung sollten Investoren die letzten (und kommenden) Wochen eher mit Verwunderung als mit blankem Entsetzen betrachten.
Julian Howard ist Chief Multi-Asset Investment Strategist bei GAM Investments. Dieser Artikel gibt die Ansichten des Multi-Asset-Teams von GAM wieder.
1GAM/Bloomberg, Mai 2025.
2Alphabet/Reuters, April 2025 https://www.reuters.com/technology/alphabet-ceo-reaffirms-planned-75-billion-capital-spending-2025-2025-04-09/
Die hierin enthaltenen Informationen dienen lediglich zu Informationszwecken und stellen keine Anlageberatung dar. Die hierin enthaltenen Meinungen und Einschätzungen können sich ändern und spiegeln die Sichtweise von GAM im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld wider. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der hierin enthaltenen Informationen wird keine Haftung übernommen. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für aktuelle oder zukünftige Trends. Die erwähnten Finanzinstrumente dienen lediglich der Veranschaulichung und sind nicht als direktes Angebot, Anlageempfehlung oder Anlageberatung oder als Aufforderung zur Investition in ein Produkt oder eine Strategie von GAM zu verstehen. Die Erwähnung eines Wertpapiers stellt keine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf dieses Wertpapiers dar. Die aufgeführten Wertpapiere wurden aus dem von den Portfoliomanagern abgedeckten Wertpapieruniversum ausgewählt, um dem Leser ein besseres Verständnis der dargestellten Themen zu ermöglichen. Die aufgeführten Wertpapiere werden nicht notwendigerweise von jedem Portfolio gehalten und stellen keine Empfehlungen der Portfoliomanager dar. Die hier beschriebenen spezifischen Investitionen stellen nicht alle Investitionsentscheidungen des Managers dar. Der Leser sollte nicht davon ausgehen, dass die identifizierten und diskutierten Anlageentscheidungen gewinnbringend waren oder sein werden. Die hierin enthaltenen Verweise auf spezifische Anlageempfehlungen dienen lediglich der Veranschaulichung und sind nicht notwendigerweise repräsentativ für Anlagen, die in der Zukunft getätigt werden. Es wird keine Garantie oder Zusicherung gegeben, dass die Anlageziele erreicht werden. Der Wert der Anlagen von kann sowohl steigen als auch fallen. Die Anleger können ihre Anlagen ganz oder teilweise verlieren.
Der S&P 500 Index ist ein Aktienindex, der die Wertentwicklung von 500 der grössten börsennotierten Unternehmen in den USA abbildet. Der Nasdaq 100 Index ist ein Aktienindex, der die Wertentwicklung der 100 grössten, an der Nasdaq-Börse notierten Nicht-Finanzunternehmen auf der Grundlage der Marktkapitalisierung abbildet. Der 1973 von der US-Notenbank geschaffene US-Dollar-Index misst den Wert des US-Dollars im Verhältnis zu einem Korb von sechs wichtigen ausländischen Währungen: EUR (57,6 Prozent Gewicht), JPY (13,6 Prozent), GBP (11,9 Prozent), CAD (9,1 Prozent), SEK (4,2 Prozent) und CHF (3,6 Prozent).
Verweise auf Indizes und Benchmarks sind hypothetische Darstellungen von Gesamtrenditen und spiegeln nicht die Performance einer tatsächlichen Anlage wider. Anleger können nicht in Indizes investieren, die nicht den Abzug der Gebühren des Anlageverwalters oder anderer Handelskosten widerspiegeln. Solche Indizes werden nur zu Illustrationszwecken zur Verfügung gestellt. Indizes werden nicht verwaltet und es fallen keine Verwaltungsgebühren, Transaktionskosten oder andere mit einer Anlagestrategie verbundene Kosten an. Daher sind Vergleiche mit Indizes nur bedingt möglich. Es kann nicht garantiert werden, dass ein Portfolio einem bestimmten Index oder einer Benchmark entspricht oder diese übertrifft.
Dieser Artikel enthält zukunftsgerichtete Aussagen in Bezug auf die Ziele, Möglichkeiten und die künftige Entwicklung der Aktienmärkte im Allgemeinen. Zukunftsgerichtete Aussagen können durch die Verwendung von Begriffen wie "glauben", "erwarten", "vorhersehen", "sollten", "geplant", "geschätzt", "potenziell" und ähnlichen Begriffen gekennzeichnet sein. Beispiele für zukunftsgerichtete Aussagen sind u.a. Schätzungen in Bezug auf die Finanzlage, die Betriebsergebnisse und den Erfolg oder Misserfolg einer bestimmten Anlagestrategie. Sie unterliegen verschiedenen Faktoren, einschliesslich, aber nicht beschränkt auf allgemeine und lokale wirtschaftliche Bedingungen, sich ändernde Wettbewerbsniveaus innerhalb bestimmter Branchen und Märkte, Änderungen der Zinssätze, Änderungen der Gesetzgebung oder Regulierung und andere wirtschaftliche, wettbewerbsbezogene, staatliche, regulatorische und technologische Faktoren, die sich auf die Geschäftstätigkeit eines Portfolios auswirken und dazu führen können, dass die tatsächlichen Ergebnisse erheblich von den prognostizierten Ergebnissen abweichen. Solche Aussagen sind zukunftsorientiert und beinhalten eine Reihe von bekannten und unbekannten Risiken, Ungewissheiten und anderen Faktoren, und dementsprechend können die tatsächlichen Ergebnisse erheblich von denen abweichen, die in solchen zukunftsorientierten Aussagen widergespiegelt oder in Erwägung gezogen werden. Potenzielle Anleger werden darauf hingewiesen, dass sie sich nicht auf zukunftsgerichtete Aussagen oder Beispiele verlassen sollten. Weder GAM noch eine seiner Tochtergesellschaften oder Direktoren noch eine andere natürliche oder juristische Person übernimmt eine Verpflichtung, zukunftsgerichtete Aussagen aufgrund neuer Informationen, späterer Ereignisse oder anderer Umstände zu aktualisieren. Alle hierin gemachten Aussagen beziehen sich nur auf das Datum, an dem sie gemacht wurden.
Diese Offenlegung stellt in keiner Weise einen Verzicht auf oder eine Einschränkung von Rechten dar, die einer Person aufgrund solcher Gesetze und/oder Vorschriften zustehen.
Im Vereinigten Königreich wurde dieses Material von GAM London Ltd, 8 Finsbury Circus, London EC2M 7GB, herausgegeben und genehmigt, die von der Financial Conduct Authority autorisiert und reguliert wird.